Zur Friedenskonzeption der ELKB
Die Landessynode hat 2019 die Erstellung einer Friedenskonzeption der ELKB beschlossen. Sie ist keine aktuelle Reaktion auf den Angriffskrieg in der Ukraine, sondern eher eine Selbstvergewisserung des Grundkonsenses der kirchlichen Friedensarbeit aus der Sicht der kirchenleitenden Organe.
Betont wird, dass es auch in der Kirche Konflikte um die Wege zum Frieden geben kann und gibt. Empfohlen wird, in der Friedensdiskussion deutlicher als bisher drei Ebenen zu unterscheiden:
• Sicherheit und Stabilität, Recht und Ordnung, abgesichert durch militärische Macht
• Eine Kultur des Friedens, Gewaltfreiheit und konstruktive Konfliktbearbeitung
• Der Schalom im biblischen Sinne, Gottes umfassende Friedensverheißung
Auf dieser Basis wird gefragt, wie Frieden im Sinne eines gesellschaftlichen Prozesses abnehmender Gewalt und zunehmender Gerechtigkeit gefördert werden kann. Betont wird: Der Einsatz militärischer Gewalt ist immer mit Schuld verbunden. Ziel bleibe der friedliche Konfliktaustrag, Abrüstung und Gewaltfreiheit in einer internationalen Rechtsordnung. In einem zweiten Teil wird die Praxis der Friedensarbeit der ELKB in ihren Ausformungen und Handlungsfeldern beschrieben.
Den Verantwortlichen war es wichtig, dass sich auch Friedensinitiativen an der Diskussion des Entwurfs beteiligen konnten, u. a. der AEE. Einzelne Anliegen sind in die Fortschreibung der Konzeption eingeflossen, ohne dass sich deren grundsätzlicher Charakter verändert hätte.
Bis zur Beschlussfassung bei der Frühjahrstagung 2024 besteht noch die Möglichkeit, sich einzubringen, etwa im Gespräch mit Mitgliedern der Landessynode.
Zur Kritik:
Der Ansatz bei einer lutherischen Friedensethik mit ihrer Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, von irdischem und göttlichem Frieden, von Vorletztem und Letztem ist m. E. zu begrüßen. Dies darf freilich nicht zu einer Relativierung des Friedenswillens Gottes führen. Die biblischen Weisungen in der Thora, bei den Propheten und in den Evangelien (Bergpredigt) beschreiben eine Lebens-praxis. Diese schafft nicht den endzeitlichen Frieden, weist aber zeichenhaft auf ihn hin.
Die Darstellung der sicherheitspolitischen Dilemma-Lagen bleibt weithin auf der Ebene menschlicher Überlegungen und damit des „Gesetzes“. Folgerungen, die vom Evangelium her über das in Politik und Gesellschaft Diskutierte hinausweisen, sind selten erkennbar.
Der jahrzehntelange kirchliche und ökumenische Konsens, dass Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in Wechselwirkung stehen, wird in der Konzeption relativiert, ebenso der biblische Gerechtigkeitsbegriff. Möglicherweise steht dahinter ein Unbehagen am EKD-Konzept des gerechten Friedens. Auch der Beitrag der Friedensbewegung oder gar des christlichen Pazifismus wird eher problematisiert. Kaum beachtet wird der Bezug zwischen Frieden und Bewahrung der Schöpfung, angesichts der Klimakrise ein schwer erklärbares Defizit. Die Darstellung der landeskirchenweiten Friedensarbeit bleibt deskriptiv. Was Neues geschehen soll, wird nicht deutlich.
Schließlich fehlt dieser Friedenskonzeption ein abschließender Teil, der im Blick auf die aktuelle Situation den Beitrag der Kirche auf dem Weg zu einem gerechten Frieden formuliert. Denkbar wäre, dieses aktuelle Wort von der grundlegenden Friedenskonzeption zu unterscheiden und als eigenen Beschluss zu formulieren.
Unser Autor, Pfarrer i.R., war zuletzt Vorstandsvorsitzender der Rummelsberger Diakonie