Friedensethik in der Zeitenwende

Bericht vom Studientag des Initiativkreises Frieden (IKF) und des AEE Von HG Koch

„Endlich volles Haus!“, freuten sich sieben friedensengagierte Gruppen, als sich der Gemeindesaal von St. Jobst in Nürnberg immer mehr füllte und die 60 Stühle für die angemeldeten Teilnehmenden nicht reichten.

Zugegeben, der Altersdurchschnitt hätte niedriger sein können. „Wo sind die Jungen?“, hörte man immer mal wieder fragen. Aber es ist halt so, dass die „Friedensbewegten“ der 70er- und 80erJahre jetzt selbst 70, 80 oder älter sind, dass sie aber die Friedensbewegung nicht loslässt. Zumal, wenn es nicht nur um einen schrecklichen Krieg in Europa geht, der schon bald zwei Jahre dauert und kein Ende abzusehen ist. Jetzt gibt es seit dem 7. Oktober 2023 einen zweiten Krieg in Israel und Palästina.

In beiden Fällen ist klar, wer den Krieg angefangen hat, nämlich Wladimir Putin und die Hamas-Miliz. Klar ist aber auch, dass beide Kriege eine Vorgeschichte haben. Die muss in die Bewertung einbezogen werden, ohne dass sie die Gewaltexzesse irgendwie rechtfertigen könnte.

Andreas Zumach, Journalist und langjähriger Experte für Sicherheitsfragen, verdeutlichte das am Beispiel des Krieges von Russland gegen die Ukraine.

Vieles, was er sagte, zeigt die Konflikte aus einer neuen Sicht:

  •  - dass „Zeitenwende“ eine typisch „eurozentrische“ Sicht sei, die sich weltweit ganz anders darstellt;
  • - dass Kriege „gegen den Terrorismus“ bisher krachend schiefgegangen sind;
  •  - dass unser Grundgesetz eigentlich Militarisierung verbietet;
  •  - dass natürlich der Ukrainekrieg nicht der erste Krieg in Europa nach 1945 ist;
  •  - dass die Kriegsziele beider Kriegsgegner irgendwie erreichbar seien;
  •  - dass die „westlichen Werte“ angesichts der westlichen Verletzungen internationalen Rechts nicht viel taugen;
  • - dass nur Verhandlungen ohne Vorbedingung helfen könnten, evtl. vermittelt durch den globalen Süden.

Günter Breitenbach brauchte beim Mittagsgebet nur am Text aus dem Jesajabuch (Jes 29, 17-24) entlangzugehen, der mit verblüffender Aktualität die Grundlagen für eine Zeitenwende zum Frieden beschreibt: Regeneration der Wälder, Freude für die Ärmsten, Leute, die Augen und Ohren offen halten und sich für ihren Glauben nicht schämen. Das ist die Wende: Mit den Tyrannen geht es zu Ende. Gewalttäter werden gestoppt. Kritische Stimmen werden gehört und Justizopfer bekommen ihr Recht. Irrende lassen sich belehren. Das alles wird dadurch möglich, dass wir auf die Kinder schauen, die Gott schenkt und deren Zukunft nicht zerstört werden darf.

Am Beginn des Nachmittagsplenums stand ein Bericht von Pfarrer Martin Tontsch, Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung der ELKB.

Inzwischen scheint dieser Prozess völlig ins Stocken geraten zu sein. Zu hoffen ist, dass er neue Impulse bekommt von der „Friedenswerkstatt der EKD“, die der Friedensbeauftragte der EKD Bischof Friedrich Kramer ins Leben gerufen hat.

Martin Tontsch ist daran beteiligt. Erste Anhörungen von Fachleuten der Friedenstheologie/Friedensforschung hat es bereits gegeben. Manche Foren sind online öffentlich. Das Plenum bittet Martin Tontsch um Information, wann die nächste öffentliche Veranstaltung per Zoom stattfindet.

Anschließend referierte Stefan Brües aus dem Koordinierungskreis „Sicherheit neu denken“ über methodische Grundsätze und praktische Beispiele von gewaltfreier Konfliktbearbeitung. U. a. berichtete er von den gewaltfreien Aktionen der Frauen in Liberia und von der NGO „Nash Dom“ in Belarus, die schon lange vor dem Krieg aktiv war und jetzt vor allem Kriegsdienstverweigerer unterstützt.

In der anschließenden Gruppenphase mit Stefan Brües wurde deutlich, dass gewaltfreie Aktionsmöglichkeiten viel bekannter gemacht werden müssen, auch in der Bildungsarbeit an Schulen.

Hauptthema der Gesprächsgruppe mit A. Zumach am Nachmittag war der aktuell alle sehr bewegende Nahost-Krieg. Zumach trug in hilfreicher Weise ein analytisches Urteil über beide Seiten des Konflikts vor, ohne Relativierungen.

Mutmachend war der Auftritt von Ilona Schuhmacher von der Evangelischen Jugend in Bayern. Sie berichtete vom „Ökumenischen Friedensjahr“, das die evangelische und katholische Jugend in Bayern ausgerufen haben. (ejb.de/Friedensträume) Diese Initiative wird noch weiter ausgebaut. Ilona Schuhmacher wird mit dem IKF in Verbindung bleiben für Informationsaustausch und evtl. eine Begegnung zwischen den Generationen. Die „Friedensträume“-Aktion wird mit Freude aufgenommen.